Graffiti: Sprayer und Opfer kommen auf keinen Nenner

„Graffiti im Fokus“ hieß es im Mon Ami.

Für das Podium von Polizei und Stadtverwaltung, auf dem neben PI-Leiter Ralf Kirsten und Bürgermeister Christoph Schwind der Strafverteidiger Andreas Schramek, der Gewerkschafter Sandro Witt, Moderator Thorsten Büker, die Streetworkerin Anita Schüler und die Landtagsabgeordnete Katharina König saßen, interessierten sich mehr als 100 Weimarer. Foto: Maik Schuck

Man mag das bedauern oder verfluchen, aber jüngere Leute, die Wände besprühen, und ältere, die sich über Graffiti-Tags auf Wänden schwarz ärgern, werden einander wohl nie mit Achtung begegnen können. Hier prallen in jeglicher Hinsicht Welten zusammen. Das ist die Erkenntnis, die sich aus dem vom Lokalredaktionschef unserer Zeitung, Thorsten Büker, moderierten Podiumsgespräch ableiten lässt, zu dem am Donnerstag die Polizeiinspektion Weimar und die Stadtverwaltung ins Mon Ami geladen hatten.
Weimar. Die eine Welt ist die der Hausbesitzer, die ihre Siebensachen in Ordnung halten wollen und müssen. Die andere wird von Heranwachsenden bewohnt, denen Ordnung nicht nur nichts bedeutet. Sie wird von ihnen auch als Kategorie der Erwachsenen-Welt betrachtet, von der es sich zu distanzieren gilt. Da kommt man weder mit Recht noch mit Moral weiter, nur mit dem Katz-und-Maus-Spiel, das zuletzt von der Polizei durch Graffiti-Kataster und Mitführverbote auf ein neues Level gehoben wurde. Eine Stimme aus dem graffiti-affinen Teil des gespaltenen Publikums versuchte die Position der illegalen Sprayer einzunehmen: „Nicht nur die Sprayer leiden in Weimar unter der Gestaltungshoheit der Eliten“, führte Michael Kasper aus. Im öffentlichen Raum sei der Platz, den Jugendliche für sich beanspruchen können, knapp bemessen. „Wir können nur versuchen, die jungen Leute an der Gestaltung der Räume zu beteiligen.“

Das scheitert oft schon an der Kommunikation. Legale Spraywände, schön und gut, doch in der Szene seien sie verpönt, verrät Streetworkerin Anita Schüler. Längst bedienen sich illegale Sprayer anderer Ausdrucksformen als des argumentativen Austauschs. Gesprächsangebote der Stadt und der Polizei laufen ins Leere. „Es ist uns nicht gelungen, auch nur einen Sprayer auf dieses Podium zu bekommen“, klagte PI-Leiter Ralf Kirsten , der mit seinen Kollegen trotz ansehnlicher Aufklärungsquote quasi gegen Windmühlen kämpft.

Bürgermeister Christoph Schwind wünschte sich Einsicht darin, dass sich Gesellschaft nur organisieren lässt, wenn bestimmte Regeln befolgt werden. Dem hält der Künstler Lucian Patermann entgegen, dass „wir in einer Stadt leben, die nicht nur eins“ sei. Taggen sei nicht zwangsläufig von Zerstörungswut motiviert. Und während Katharina König , jugendpolitische Sprecherin der Linken im Landtag, für Verständnis ebenso wie für Verständigung warb, schüttelten seit Jahren geschundene Hausbesitzer nur noch die Köpfe: Auf ihren Schäden bleiben sie zumeist sitzen. Warum ausgerechnet sie den Kopf hinhalten sollen, damit eine Jugendgeneration nach der anderen ihre Marke setzen kann, ging gestern kaum einem von ihnen auf.

Quelle: TLZ

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