Zeit

Mittwoch, letzter Tag in Jerusalem. Am späten Vormittag Frühstück bei herrlichem Sonnenschein. Zeit lassen, die Lebendigkeit im Stadtzentrum Jerusalems genießen. Freude über einen Gitarrenspieler und den ihn unterstützenden Tänzer. Einen Moment hält das stetige Hin und Her auf der Ben Yehuda an und schaut zu. Meine Mitfahrer_innen ziehen sich um – für sie geht es nach Mea Shearim, den ultraorthodoxen Stadtteil Jerusalems. Ich hingegen verbringe die Zeit bis zum Treffen mit der Suche nach Mitbringseln. Schnell sind sie gefunden und schon sitze ich wieder im bolinat, genieße die Sonne, den Weißwein, das Leben. Dazu Telefonate, um Treffen mit Freunden die kommenden 1,5 Tage in Tel Aviv abzustimmen. Wieder zusammengekommen bleiben wir stundenlang im Café – kein reden, kein Gespräch ist notwendig. Danach zur Knesset, dem israelischen Parlament und ein Besuch von Gilad Shalits Eltern.

Gilad Shalit wurde vor über 5 Jahren, als damalig 19jähriger Soldat der israelischen Armee, von der Hamas in den Gaza-Streifen verschleppt. Das letzte Lebenszeichen von ihm stammt aus dem Jahr 2009, die Eltern campieren seit mehr als einem Jahr vor dem Regierungssitz Netanyahus in einem Zelt und versuchen so entsprechende Öffentlichkeit zu schaffen und Druck auf Netanyahu auszuüben.

Gelbe Bänder, das Symbol der Unterstützung der Forderungen der Eltern wehen an den Bäumen ringsherum. Blauweiße T-Shirts mit dem Konterfei Gilads, viele Transparente und Solidaritätserklärungen aus Schulen, Städten, Universitäten…

Die Eltern sowie Freunde der Familie sitzen im Zelt, Besucher_innen wird ein Stuhl angeboten. Sie erzählen ihre Geschichte, ihre Sorgen, ihre Ängste. Und in der Mitte des Stuhlkreises ist ein Stuhl für Gilad reserviert. Hoffnung, dass er noch lebt mischt sich mit Angst um seinen Tod, Wut auf die Regierung und beständigem Warten auf seine Rückkehr. Am Zelt werden die Tage seiner Entführung gezählt. 1851 waren es am Mittwoch.

Wir verabschieden uns, gehen weiter. Ein letzter gemeinsamer Kaffee im Zentrum Jerusalems und die Wege meiner Mitfahrer_innen und meine trennen sich. Während sie noch in Jerusalem bleiben, um von dort aus am Freitag Richtung Jordanien aufzubrechen, fahre ich nach Tel Aviv. Dort angekommen, streite ich mit dem Taxifahrer um den Preis, gewinne und sitze anschließend bis in den frühen Morgen mit einem Freund. Seit langem wieder Zeit zum erzählen, lachen, diskutieren. Schlaf wird zur Nebensache.

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