Stellungnahme RedRoXX

Stellungnahme RedRoXX zum Ende der gemeinsamen Mobilisierung nach Dresden

Am Donnerstag 9.12. fand ein erneutes Treffen von VertreterInnen Thüringer Anti-Nazi Initiativen, Parteien, Jugendverbänden und antifaschistischen Gruppen statt, auf welchem anhand eines Aufrufentwurfes die Konstitution eines Bündnisses diskutiert wurde, welches am 13.2. nach Dresden mobilisieren sollte. Auf diesem Treffen zeigte sich, dass es keine gemeinsame Basis für eine Mobilisierung gibt. Es existierte kein gemeinsamer Zweck, den die an diesem beteiligten Gruppen in Dresden verfolgen werden. Daher konstituierte sich auch kein Thüringer Bündnis zur Verhinderung des Naziaufmarsches.

Der Anlass der Trennung

Anlass war eine Anmerkung eines Vertreters unsererseits, dass wir bei der Lektüre des vorliegenden Aufrufentwurfs den Eindruck hatten, vor allem die antifaschistischen Gruppen würden nicht nach Dresden mobilisieren, um den Naziaufmarsch zu verhindern, sondern das zu verhindern. Das Bündnis würde bei Zustimmung dieses Anliegen mit dem am 13.2. für ebenso wichtig erklären, wie die Verhinderung des Naziaufmarsches. Es werde also zu zwei gleichzeitig stattfindenden und damit konkurrierenden Aktionen in Dresden aufgerufen, bei der sich die eine auf die Verhinderung des Naziaufmarsches konzentrieren werde und die andere auf Begleitung der offiziellen Gedenkpolitik in Dresden. Wir stellten also die Frage, ob dies ein Missverständnis sei oder zutreffen würde. Basis dieser Nachfrage war die Tatsache, dass in Gesprächen vor dem Treffen mit einigen Personen, die am Prozess teilnahmen, Formulierungen auftauchten wie: „Ich mobilisiere doch nicht nach Dresden, um den Naziaufmarsch zu verhindern.“ Diese Aussagen Einzelner wurden durch die Aussagen der VertreterInnen der Antifa-Gruppen (unter Abwesenheit einer Gruppe) nach einer zähen Diskussion von zwei Stunden bestätigt. Sie mobilisierten nach Dresden, um „die Wurzel des Naziaufmarsches zu bekämpfen“ oder „andere sollten ja blockieren, damit sie sich auf das Gedenken konzentrieren könnten“. Formulierungen, die diese Vorstellungen darstellten, aus dem Bündnisaufruf herauszunehmen, an weniger prominenter Stelle zu platzieren oder zu ändern wurde abgelehnt. Die Durchsetzung der eigenen Position wurde einem möglichen Gemeinsamen übergeordnet. Ein fehlendes gemeinsames Anliegen ist jedoch für uns der Grund ein Bündnis nicht zustande kommen zu lassen.

Unser Verständnis eines Bündnisses lässt dabei Differenzen zu. Es hätten Teile des Bündnisses Aufrufe verfassen können, die dem Bündnisverständnis nicht widersprochen oder PartnerInnen im Bündnis angegriffen aber zu anderen Aktionen aufgerufen hätten. Es ging uns nicht einmal darum, was die BündnispartnerInnen in Dresden gemacht hätten. Es ging um die Frage ob überhaupt ein gemeinsames Anliegen vorliegen kann und die Differenzen der inhaltlichen Positionen ernst zu nehmen.
Unsere Vorstellung vom Gemeinsamen

In diesem Fall wäre das gemeinsame Anliegen des Bündnisses nach unserem Verständnis die Verhinderung des Naziaufmarsches gewesen. Wir hatten im Vorfeld den Eindruck, dass die Antifa-Gruppen dieses Anliegen teilen, da sie sich im letzten Jahr an Aktionen gegen den Naziaufmarsch jenseits der Blockaden beteiligt hatten. (Eine Ausnahme waren Teile der JAPS.) Im Laufe der Diskussion jedoch waren wir uns nicht mehr sicher, ob für einige der Naziaufmarsch überhaupt eine Bedeutung hat und daher seine Verhinderung ins Auge gefasst wurde. Das für uns die Verhinderung im Vordergrund stand, ist bereits in der Einladung zum Treffen transparent gemacht worden: „Wir wollen über den aktuellen Stand in Dresden informieren, berichten von den bundesweiten Treffen und möchten mit euch zusammen überlegen, wie wir erneut die schon angekündigten Nazigroßaufmärsche erfolgreich verhindern können.“ (aus der Mail der einladenden Gruppen/Strukturen)

Vorwürfe, wie sie auf dem Treffen auftauchten und jetzt im oder in Gesprächen verbreitet werden, wir hätten die antifaschistischen Gruppen verarscht und aus machtpolitischen Gründen verkauft, entbehren daher jeder Grundlage. Wir haben auch nicht neue Grenzen gezogen, was wir an Positionen des Bündnisses tragen könnten. Diese waren vorher in den Vorgaben in den letzten Treffen für den Aufruf benannt worden:

1. Wir lehnen eine Gleichsetzung der Gedenkpolitik und der Nazis ab.

2. Wir wollen aber diese für ihre Anknüpfungspunkte an geschichtsrevisionistische Diskurse kritisieren.

3. Wir werden nicht zu aufrufen.

4. Aber wir wollen eine mit allen Aktionsformen, die den Naziaufmarsch verhindern sollen.

Vor allem Punkt 1 berührte unser Verständnis der Aktionen an dem Tag. Es frei zu stellen, ob der Naziaufmarsch blockiert oder das Gedenken durch Aktionen begeleitet werden soll, impliziert nach unserer Auffassung diese Gleichsetzung. Von Seiten der Antifa-Gruppen gab es zwar natürlich Unzufriedenheit mit diesen Punkten, aber es wurde vor allem gefordert, dass Bündnis müsse über den Aufruf und das Spektrum von Dresden Nazifrei hinaus nach links wirken. Daher müsse das Gedenken einen prominenten Stellenwert bekommen und das Bündnis dürfe keine Regionalstruktur von Dresden Nazifrei sein. Einig waren sich alle bei der Ablehnung des Extremismusdiskurses. Die stärkere Fokussierung auf den Gedenkdiskurs haben wir geteilt und auch schon vorher auf der Konferenz von Dresden Nazifrei vertreten. Letztlich fanden wir es politisch unglücklich nicht Teil von Dresden Nazifrei zu sein, aber waren bereit uns als eigene Struktur zu begreifen, die Dresden Nazifrei auch kritisieren würde. Das heißt jedoch nicht alle Politikelemente von Dresden Nazifrei abzulehnen. Das dieses Bündnis den Dresdener Gedenkdiskurs nicht stärker thematisierte, sehen wir weiterhinals großen Fehler an.

Die inhaltliche Differenz

Im Verlauf der Diskussion und dies bestätigt sich im Nachhinein durch die Art und Weise, in der Kritik an unserer Position geäußert wird, zeigte sich, dass unsere inhaltliche Kritik an der Gleichsetzung von Naziaufmarsch und Gedenken nicht ernst genommen wurde. Wir hätten ja keine Inhalte. Stattdessen wurde uns eine Scheu vor WählerInnenverlust in Sachsen unterstellt, der unsere Position erklären könne. Daher sollen noch mal zwei Aspekte genannt werden, warum wir am 13.2. in erster Linie den Naziaufmarsch verhindern wollen und nicht das Gedenken begleiten werden.

Unseres Erachtens ist es zwar richtig darauf hinzuweisen, dass in Dresden seit der Bombardierung ein Mythos vorherrscht, der die Stadt zum Opfer erklärt. Lange Zeit wurde dabei mit Fakten aus der goebbelschen Propaganda gearbeitet. Die offizielle Gedenkpolitik knüpfte nach 1990 nahtlos an diese an. Dieses erlaubte und Deutschnationalen einen der größten gemeinsamen Aufmärsche Europas mit offenem Bezug auf den NS durchzuführen und dabei in der Stadt Dresden auf hohe Akzeptanz zu treffen. Bei vielen Gedenkveranstaltungen konnten Nazis gleichberechtigt teilnehmen.

Gerade unter dem öffentlichen Druck antifaschistischer Gruppen kam es jedoch zu einer Verschiebung der Verhältnisse in Dresden. Mit der Einsetzung der Historikerkommission durch die Stadt wurden Fakten herausgearbeitet, die dem Mythos widersprachen und das offizielle Gedenken veränderte sich. Dies führte zu mehr als einer rhetorischen Abgrenzung von den Nazis. Dresden wurde in der Stadt jetzt nicht mehr als das deutsche Opfer des 2. Weltkrieges gesehen, sondern im Zusammenhang mit anderen Städten betrachtet, die in Kriegen durch Bombardierungen betroffen waren. Trotzdem blieben die Inhalte des Gedenkens rechts der Ideologie der Berliner Republik angesiedelt, die gerade das Bekenntnis zu deutschen Kriegsschuld beinhaltete und mit dem Lernprozess aus dieser die neuen Kriege des „geläuterten Deutschlands“ begründete. Die der offiziellen Gedenkfeierlichkeiten bewegen sich weiterhin wie etwa auch die Sudetendeutsche Landsmannschaft rechts des bundesrepublikanischen Diskurses über den Nationalsozialismus, der etwa um das Holocaust-Mahnmal geführt wurde.

Wir sehen daher in der Auseinandersetzung um die Dresdener Gedenkpolitik eine größere Ausdifferenzierung des politischen Spektrums als die Thüringer Antifa-Gruppen. Die Veränderungen in der offiziellen Gedenkpolitik nicht zur Kenntnis zu nehmen, führt etwa zu der falschen Gleichsetzung von Nazis und Gedenken in Dresden. Und die Differenzen zwischen Gedenken und Berliner Republik nicht wahrzunehmen zu der Betonung der Kontinuität heutiger außenpolitischer Entwicklungen zu der revisionistischen Politik von Vertriebenenverbänden und der politischen Rechten. Dabei geht es uns nicht darum die neue deutsche Außenpolitik in ihren blutigen Konsequenzen für harmloser zu halten als den Revisionismus.

Neben dieser anderen Einschätzung gesellschaftlicher Entwicklungstendenzen nehmen wir außerdem im Unterschied zu antifaschistischen Thüringer Gruppen die Neonazis und Deutschnationalen als AkteurInnen ernst, die Einfluss auf den politischen Diskurs haben und deren Stärke die Bedingungen emanzipatorischer Politik verschlechtert.

Die Betrachtung des Akteurs, neonazistische Szene, beinhaltet Fragen nach der Binnenwirkung des Aufmarsches in Dresden. So darf unseres Erachtens die Bedeutung eines Großaufmarsches mit Bezug auf den NS für die Rechten nicht unterschätzt werden. Einen solches Ereignis gibt es nun schon seit vielen Jahren. Erst war es der Aufmarsch in Wunsiedel mit Bezug auf Rudolf Hess und nun Dresden mit Bezug auf die Goebbels Propaganda und Relativierung der Verantwortung Deutschlands für den totalen Krieg. Neonazis gewinnen gerade auf diesen Ereignissen ein Gefühl der Stärke und der eigenen Massenhaftigkeit, das sich in einem offensiveren Auftreten in lokalen Auseinandersetzungen und deren Öffentlichkeit niederschlägt. Und was dies heißt erfahren MigrantInnen, alternative Jugendliche, Homosexuelle und Jüdinnen und Juden immer wieder, wenn sie Opfer von Nazigewalt werden. Eine Stärkung der neonazistischen Szene schafft gerade für diese Angsträume und verringert die Präsenz gesellschaftlicher Marginalisierter im öffentlichen Raum. Erfolge für die neonazistische Szene haben außerdem eine subjektive und organisatorische Stärkung der TrägerInnen antisemitischer, rassistischer und homophober Ideologie wie der zur Folge. Gerade der Bezug auf den Nationalsozialismus bekräftigt dabei die eigene Identität und ist außerdem, wie sich in Dresden zeigt, immer noch die Gemeinsamkeit, an der GeschichtsrevisionistInnen, Verbindungsstudenten, NPD, Freie Kräfte und „Autonome Nationalisten“ zusammenkommen. Deshalb waren in der BRD auch stets Naziaufmärsche zu diesen Themen am erfolgreichsten. Gerade die Form des Trauermarsches wirkt über die Spektren des rechten Milieus hinweg einigend und erfährt Akzeptanz auch bei der so genannten demokratischen Rechten.

Die neonazistische Szene als Akteurin zu begreifen, heißt aber auch deren Einfluss auf den politischen Diskurs zur Kenntnis zu nehmen. So ist es nicht nur so, dass strukturelle Veränderungen die Neonazis stärken, sondern auch der Fall, dass eine Rechtsentwicklung der Gesellschaft die Mitte nach rechts verschiebt und etwa revisionistische Ideen noch mehr Verbreitung finden. Das offene Bekenntnis zur deutschen Kriegsschuld der Berliner Republik ist nicht allein Ergebnis herrschender Politikanforderungen durch ein verändertes internationales Umfeld, sondern auch einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung, die mit 1968 begann und sich über die Geschichtswerkstattbewegung fortsetzte. Dieses kann durch eine starke geschichtsrevisionistische Bewegung erneut in Richtung auf die Entschuldung dt. TäterInnen verändert werden, wie es etwa anlässlich der Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ im Bündnis von Teilen der /CSU bis zur Neonazi-Szene geschehen ist. Geschichtsrevisionistische Events wie den Aufmarsch in Dresden zu verhindern, ist daher auch Teil einer Auseinandersetzung um die gesellschaftliche Definition „demokratisch rechter“ Positionen und damit welche Inhalte, in welchem Formen im politischen Mainstream als legitim erachtet werden.

Quelle

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